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Predigt zum Professjubiläum

von P. Norbert Possmann, Pallottiner, Limburg am 14. August 2010

 

Liebe Jubilarinnen, liebe Festgäste,

liebe Schwestern und Brüder!

 

Vor 172 Jahren wurde nach der Choleraepidemie die "Pia Casa" in Rom für verwaiste Kinder durch den heiligen Vinzenz Pallotti und den Kaufmann Jakob Salvati gegründet, das Ursprungshaus aller pallottinischen Frauengemeinschaften. Dass diese Fürsorge über Jahrzehnte so gut gelang, dafür steht ein Name in der pallottinischen Geschichte: Sr. Benedicta Gabrielli. Sie führte nach dem Tode Vinzenz Pallottis das Schiff in aller Ruhe durch all die turbulenten Jahrzehnte, bis sie Opfer wurde von Machtkämpfen zweier Kleriker.

 

Vor 119 Jahren wurde das pallottinische Mission skolleg für Frauen in Rom durch P. Whitmee gegründet. Von dort kamen die ersten Pallottinerinnen 1895 nach Limburg: vor 115 Jahren. Und im kommenden Jahr können unsere Mitschwestern 110 Jahre Kloster Marienborn feiern.

 

Betrachten wir diese Zahlen, dann wird uns bewusst: Unsere Jubilarinnen haben mehr als die Hälfte der Jahre, die die Pallottinerinnen bestehen, erlebt, mitgestaltet, mit ihrer Lebensenergie gefüllt.

 

Im Band 4 bei Heinrich Schulte, Geschichte des katholischen Apostolates nach 1850, steht der erste Abschnitt über die Geschichte der Vereinigung unter der Überschrift: "Hoffen, wider die Hoffnung" .

 

Und wenn man die Geschichte der Missionspallottinerinnen liest, die in Rom in ein Missionskolleg eingetreten waren und dann erleben mussten, wie man sie zu Klausurnonnen trimmen wollte und dann der totale Umschwung, dass sie unvorbereitet als Novizinnen nach Kamerun entsandt wurden, der gibt P. Schulte sehr wohl recht: Die ersten Pallottinerinnen waren Frauen, denen wahrlich die Gnadengabe der absoluten Hoffnung auf die Treue Gottes zueigen war. Erlitten und erbetet in einem äußerst mangelhaften Mission skolleg in Rom, malariageschüttelt in Kamerun , mit wärmenden Backsteinen abends bewaffnet in feuchten Räumen in der Diezer Straße und im Walderdorfer Hof in Limburg. Darum freue ich mich immer, wenn ich hier Richtung Dietkirchen rausfahre und rechterhand das Schild sehe: Felizitas-Massenkeil-Straße, eine Straße benannt nach der ersten Generaloberin hier in Limburg, stellvertretend für alle Pallottinerinnen, die in 115 Jahren voller Hoffnung auf die Treue Gottes das Joch der Nachfolge Christi getragen haben. Und von diesen 115 Jahren unsere Jubilarinnen 70 und 60 Jahre.

 

Betrachten wir drei Punkte, heute an diesem Festtag:

Gesicht und Identifikation

Menschensorge ist Seelsorge

Wach bleiben

Damit Sie nicht erschrecken. Es sind drei Punkte, die werden aber von Punkt zu Punkt immer kürzer.

 

Gesicht und Identifikation

Unser hl. Gründer hat einmal gesagt: "Die geistliche Fröhlichkeit ist eine kostbare Frucht der Gaben des Heiligen Geistes. Daher soll das Gesicht und der Blick aller beim Umgang untereinander und mit den Menschen Heiterkeit und Freude ausdrücken. Bedenkt: Wenn dieses Merkmal fehlt, werden wenig Seelen zu Gott kommen, denn bei einem solchen Verhalten werden sie sich nicht dafür begeistern, Jesus Christus nachzufolgen."

 

Es braucht Menschen, die ihr Gesicht hergeben für eine Sache, die ihnen wichtig ist. Es braucht Menschen die sicht-bar machen, was es heißt, aus der Frohen Botschaft Jesu Christi zu leben. Die Frohe Botschaft braucht frohe Menschen, braucht frohe Gesichter!

 

Ich vergesse nie die Professexerzitien bei P. Gerhard Hesse SAC in Hildenbrandseck, über die er dieses Wort Pallottis geschrieben hatte und mit uns betrachtete, was es heißt, mein Gesicht dem Evangelium zu geben. Mein Gesicht als Gottesmann, als Gottesfrau in die Welt hinauszutragen. Welches Gesicht die Kirche heute braucht, um die Menschen zu erreichen und welche Geistpflege dazu lebensnotwendig ist.

 

Mit Gesichtspflege kann man riesige Gewinne machen. Nicht nur in der Industrie, sondern auch in der Verkündigung des Evangeliums, das hat Vinzenz Pallotti sehr gut erkannt.

 

Gesichtspflege, dabei geht es nicht um die Falten oder Flecken, die dürfen ruhig sein. Gesichtpflege heißt, wie begegne ich dem anderen, wie mache ich meinem Gegenüber sichtbar, dass es eine Freude ist, bei allen Opfern, eine Dienerin Gottes, ein Diener Gottes zu sein, dass Leben mit Jesus Christus ein leichtes Joch ist, weil ich durch Jesus Christus im Gleichgewicht bin.

 

Aber, dieses Gesicht darf keine Fassade sein. Es muss etwas dahinter stecken.

Was aber?

 

"Identifikation ist die halbe Miete", lese ich in einem Artikel über die Motivation von Mitarbeitern.

 

Identifikation. Unser Gesicht, unser Leben, wir selbst wirken authentisch, gewinnend, machen einleuchtend sichtbar, wenn die Leute spüren: Das ist sein Leben, das ist ihre Leidenschaft, sie, er lebt liebend gerne, weil Gott mit ihr, mit ihm geht.

 

Paul VI. spricht in Evangelii nuntiandi es einfach so aus: Das wirksamste missionarische Wirken geschieht durch das „Evangelium ohne Worte“.

Das ist damit gemeint: Durch unser Gesicht, durch unsere Identifikation, durch unser ehrliches Leben mit Gott und für die Menschen wird die Frohe Botschaft verkündet.

 

August Macke, expressionistischer Maler, im 1. Weltkrieg schwer verwundet, daran auch gestorben schreibt in einem Brief an seine Mutter aus dem Lazarett: "Sprechen darf die Klosterfrau nur das Nötigste und vom Gesicht sehe ich nur wenig. Aber in dem Wenigen, das ich zu sehen bekomme, strahlt Güte und Mitgefühl. Glaub’ mir, das hilft, wieder heil zu werden."

 

"Zur größeren Ehre Gottes und zum Heil der Menschen", dafür sind wir als Pallottinerinnen, Pallottiner angetreten.

Danke Ihnen, unseren Jubilarinnen, dass Sie Jesus ihr Leben weihten zur Ehre Gottes, zum Heil der Menschen. Danke, dass sie dieser Spiritualität ihr Gesicht gegeben haben und sichtbar machten und machen, was es heißt Missionspallottinerin zu sein.

 

 

Menschensorge ist Seelsorge

Im Betrachten des apostolischen Wirkens unseres hl. Gründers fällt mir auf, dass Vinzenz Pallotti ein sehr begabter Prediger war, wortgewandt, nahe bei den Leuten und immer schauend, wie er die Sprache, die Lebenswelt der Menschen trifft, die vor ihm stehen. So predigt er in Trastevere im Dialekt dieses Stadtteils und in der Bürgerstadt drüben bei Santo Spirito in glänzendem Italienisch.

 

Er lernt Sardisch, um Elisabetha Sanna und die vielen sardischen Leute in Rom besser betreuen und verstehen zu können. Aber bei aller Wirksamkeit des Wortes, beginnt sein Apostolat immer bei der Leibsorge, der Menschensorge.

 

Die Kinder brauchten nach der Choleraepidemie ein Zuhause. Er nutzt seine Verbindungen, seine Wortgewalt, seine Beliebtheit, damit die Kinder ein Dach über dem Kopf bekommen und gründet eine Frauengemeinschaft, die sich um diese Kinder und ihr Wohl kümmern. Menschensorge ist Seelsorge.

 

Er übernimmt die Seelsorge für die Gefangenen in der Engelsburg und sorgt erst einmal dafür, dass die Gefangenen die Möglichkeit bekommen sich regelmäßig zu waschen und gründet mit Elisabetta Sanna eine Gruppe, die die Kleidung der Gefangenen wäscht. Man könnte sagen: Er ging mit der Bibel in die Engelsburg und kam mit der dreckigen Wäsche der Gefangenen heraus.

Die frohe Botschaft muss leibhaftig spürbar sein.

 

Die kranken Söldnersoldaten aus aller Herren Länder im Cento Pretti betreut er mit vielen Frauen und Männern der Vereinigung und sorgt dafür, dass sie warmes Essen gekocht bekommen, frische Wäsche und Binden, Medizin und ärztliche Betreuung. Die Verkündigung des Evangeliums ohne Worte, aber so wohltuend am Leib spürbar.

 

Wenn wir in das Leben unserer Jubilarinnen schauen, dann haben sie diese Spiritualität Pallottis ganz und gar gelebt:

Das freundliche Gesicht an der Pforte, die frische Wäsche, die einen Mensch seine Würde spüren lässt. Die Erziehung der Kinder, die Betreuung von Alten, Kranken, Schwachen, am Leben behinderter, die Sorge für die Verkündigung des Glaubens in Afrika, das Ganze organisieren durch den Dienst in der Verwaltung und zu guter Letzt: Das Gesicht, das Erscheinungsbild der Kirche durch schöne ansprechende liturgische Gewänder bereichern.

 

Für diese Menschensorge, die Seelsorge ist, ein herzliches Vergelt’s Gott im Namen aller, die durch Sie dies erfahren durften!

 

In der Diskussion unserer Gemeinschaft, was ist unser vordringliches Apostolat, betone ich immer: Von Vinzenz Pallotti her und seinem Prokurensystem ist nicht die erste Frage an die pallottinischen Gemeinschaft "Was wir tun?". Pallotti wollte in seiner Menschensorge alle Lebensbereiche umfangen. Sondern vor der Frage nach dem "Was" zeichnet sich pallottinische Spiritualität dadurch aus, dass wir uns zuerst die Frage stellen: Wie wir es tun?

 

Unsere Seelsorge ist immer Menschensorge, damit Menschen ihre Würde entdecken als Ebenbild Gottes und wir durch unseren Dienst, durch unsere Art ihnen zu begegnen, diese Würde achten, bewusst machen, bestärken und sie dadurch für die Botschaft des Evangeliums gewinnen.

Nicht das Was steht an erster Stelle, sondern das Wie!

 

Janne Teller hat einen deprimierenden Roman geschrieben: Nichts was im Leben wichtig ist. Dieser Jugendroman wird in den kommenden Jahren sicher in so manchem Deutsch- und Religionsunterricht zur Diskussion über den Sinn des Lebens anregen. Ein Jugendlicher behauptet, es hat alles keinen Sinn und die anderen sollen ihm durch den Berg und Taten der Bedeutsamkeiten beweisen, dass es doch einen Sinn des Lebens gibt, etwas End-Gültiges.

Aber sie blicken in die Leere, die Frage nach dem End-gültigen bleibt offen.

 

Wir haben den Auftrag den Menschen zu künden, dass es etwas End-gültiges gibt, dass unser Mühen und Schaffen einen Sinn hat, dass 60, 70 Jahre Profess ein sinnvoller Lebensinhalt war und ist. Gott ist Grund und Ziel menschlichen Lebens, wir sind sein Abbild, seine Kinder und haben durch Jesus Christus einen Verbündeten, einen Bruder, der uns hilft so manch schwere Lasten zu tragen. Das Joch macht es erst möglich, dass der Ochse diese Last tragen kann. Und viele von uns, wenn wir ehrlich in unser Leben zurückschauen, können feststellen: Durch meinen Glauben an Jesus Christus war mir Vieles zu tragen nur möglich.

 

Und, das möchte ich auch hinzufügen, durch die Solidarität und das Gebet vieler guter Menschen.

 

 

Wach bleiben

Bei einer Talk-Runde zum "Älter-werden" mit prominenten Teilnehmern. Da wird eine Teilnehmerin gefragt, - ich weiß den Namen nicht mehr -, wie sie es hinbringe, so jung geblieben zu sein. Und ich sehe die Entrüstung dieser alten Dame und sie antwortet: "Ich bin nicht jung geblieben. Jungsein ist kein Wert. Ich bin heute älter als alle meine Vorfahren geworden sind. Wichtig ist mir: Ich bin wach geblieben!"

Das hat mir imponiert: Ich bin wach geblieben!

 

William Turner, der berühmte englische Maler, sagte, wenn er nach seinem Beruf gefragt wurde: Ich werde Künstler!

Dabei war er schon seit Jahren als Maler tätig. Aber er wollte ausdrücken, dass er immer noch im Werden, im Wachsen, im Reifen, im Verändern ist.

Deshalb: Ich bin zwar Pallottiner und Sie sind Pallottinerinnen, aber ich möchte auch von uns sagen: Ich werde Pallottinerin!

Dass es ist ein Prozess, der anhält, der im Alter mich ganz neu zum Lernen herausfordert. Auch mit 70, 60 Professjahren werden Sie noch Pallottinerin.

 

Unsere Gesichtspflege ist täglich eine Frage an uns, dafür wach zu bleiben!

Unsere Identifikation ist Herausforderung all die Jahre hindurch, obwohl wir es sind, werden wir Pallottis Töchter und Söhne, denken Sie an unseren gemeinsamen Prozess der Entdeckung unserer UNIO-Verpflichtung.

Das „Joch der Brüderlichkeit“ zu tragen wie Meister Eckhard es ausdrückt, ist im Alter unsere tägliche Seelsorge - Füreinander.

 

Mein Wunsch für uns alle und besonders für Sie:

Bleiben wir wach! Amen.

 

 

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