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Von Gott geführt und begleitet

Erzählte Geschichten aus der Geschichte unserer Gemeinschaft

 

Bei den Bildern, die uns in Vorbereitung auf das Generalkapitel 2021 vorgeschlagen wurden, findet sich auch das Bild der "Mutter vom Guten Rat".

 

Das hatte mich sofort daran erinnert, dass mir dieses Bild inzwischen mehrmals in der Geschichte unserer Gemeinschaft begegnet ist, so dass ich es gerne zum Ausgangspunkt für diesen Impuls nehmen möchte.

 

Werfen wir zuerst einen Blick darauf, wann, wo und in welchem Zusammenhang wir in unserer Geschichte der "Mutter vom Guten Rat" begegnen

 

 

Die erste Spur findet sich schon im Leben Vinzenz Pallottis. Wie wir wissen, war Pallotti Mitglied von mehr als dreißig Bruderschaften und Vereinigungen. Das war für ihn nicht einfach eine fromme Übung oder eine gedankenlos übernommene Praxis, die zu seiner Zeit üblich war. Es hatte für ihn eine sehr persönliche Bedeutung, wie der Pallottiner Francesco Amoroso aufgrund der geistlichen Aufzeichnungen Pallottis sagte. Für unseren Gründer bedeutete ein solcher Anschluss eine Vertiefung seiner Bindung an die Gemeinschaft der Heiligen. Er empfand, dass er dadurch voll berechtigtes Mitglied dieser geistlichen Familien wurde und in eine enge verwandtschaftliche Beziehung zu all den Heiligen eintrat, die ebenfalls Mitglied dieser Gemeinschaften waren.

 

Tatsächlich war es auch eine persönliche Beziehung, durch die Pallotti Mitglied der Bruderschaft Maria, Mutter vom Guten Rat in Genazzano wurde. Genazzano ist ein kleines Städtchen etwa 45 km östlich von Rom. In der Wallfahrtskirche ist das Originalbild der Mutter vom Guten Rat, von dem es heißt, dass es auf wunderbare Weise hierhergekommen ist. Den Augustinerpater Parenti hatte Vinzenz Pallotti bei einem Besuch im Heimatort seines Vaters kennengelernt. Die beiden kamen schnell zu einem tiefen geistlichen Austausch und ihre freundschaftliche Verbindung und Verbundenheit blieb bestehen. Augustinerpatres aber waren und sind es, die die Wallfahrtskirche in Genazzano betreuen, in der sich das Original-Bild der Mutter vom Guten Rat befindet. So war es Parenti, der Pallotti die Aufnahme in die dortige Bruderschaft vermittelte. – Vor einigen Jahren konnten wir von Rom aus einmal dorthin fahren. Noch heute ist in einem Nebenraum der Kirche unter vielen anderen Bildern von Menschen, die mit diesem Ort verbunden waren und sind, auch ein Bild Vinzenz Pallottis zu finden.

 

1846 reisten zwei Benediktiner-Missionare aus der nahe gelegenen Abtei Subiaco nach Australien aus, die dort die Abtei New Norcia gründeten. Vinzenz Pallotti gab ihnen ein Kopie des Bildes der Mutter vom Guten Rat mit. Ein Jahr später schon, 1847 bedrohte ein Buschfeuer die neue Gründung. Doch die Mönche nahmen nun ihre Zuflucht zu dem Bild und hielten es dem Feuer entgegen. Da drehte sich der Wind und die Gefahr wurde gebann

 

 

45 Jahre später: Gehen wir ins Jahr 1891, als die ersten Kandidatinnen aus Deutschland nach Rom in das Internationale Missionskolleg der Pallottinerinnen gehen, um einmal als Missionarinnen in die Mission nach Kamerun ausgesandt zu werden.

 

Es waren die späteren Schwestern Katharina Haider, Monika Christlieb, Christina Schwarz, Margareta Maier und Rosa Hofweber, die im Juni und Juli nach Rom gekommen war. Schon am 2. August zogen die fünf Postulantinnen mit den beiden Engländerinnen Sr. Magdalena und Sr. Therese, die sie in die Gemeinschaft der Pallottinerinnen einführen sollten, für den Sommer nach Genazzano. Mit ihnen kamen die Damen, die im Missionskolleg als Pensionsgäste Unterkunft gefunden hatten und damit zum Einkommen für die kleine Gemeinschaft beitrugen. Sr. Salesia schrieb in ihrer Geschichte unserer Gemeinschaft, dass sich die jungen Leute in der frischen Landluft langsam an die klimatischen Verhältnisse gewöhnen sollten. Ein alter Omnibus brachte die Gruppe dorthin. Eine kleine möblierte Villa außerhalb des Städtchens diente ihnen zur Wohnung.

 

Hauptbeschäftigung der jungen Frauen in Genazzano war der Unterricht in Englisch und Latein, und das Lesen der Psalmen. Von den Augustinern an der Wallfahrtskirche hatten sie die Bücher geliehen, um das feierliche lateinische Stundengebet zu erlernen, das die erste Leiterin des Kollegs, Sr. Magdalena für die Missionsschwestern einführen wollte. Täglich aber verbrachten die jungen Leute eine geraume Zeit in der Wallfahrtskirche der Mutter vom Guten Rat. Sie empfingen daraus viel Trost und Freude, so dass sie sich bald heimisch und geborgen fühlten. So beschrieb es Sr. Salesia, die fortfuhr: "Aus dem lieblichen Gnadenbild schien die Mutter vom Guten Rat selbst zu ihnen zu reden. Hier schwanden die düstern Nebel des Zweifels und der Besorgnis, die auch Anfängern im religiösen Leben … nicht erspart bleiben konnten. Mut und Vertrauen erstarkten in ihren Herzen durch die Vermittlung der Gnadenmutter." – Als Ende September die Schwestern dann die Nachricht erreichte, dass in Rom neue Kandidatinnen eintreffen sollten, kehrte die Gruppe schnell in die Stadt zurück, wo sie die Neuankömmlinge am 1. Oktober begrüßen konnte.

 

 

In der Chronik von Richwood, der ersten Kommunität unserer Gemeinschaft in den USA, und in einem Brief, den eine der Pionierinnen dort, Sr. Dominica Senn 1951 an Sr. Salesia geschrieben hatte, wird über die Ankunft unserer ersten Schwestern in den Vereinigten Staaten im Jahr 1912 berichtet. Es war eine abenteuerliche Fahrt gewesen, bis sie ihr Ziel erreichten!

 

Die Seereise hatte die Schwestern von Bremen nach New York gebracht. Unterwegs hatte ihr Dampfer die Trümmer der Titanic passiert; sie sahen Leichen, die im Wasser schwammen.

 

Von Hoboken aus sollte der Zug sie dann ins Landesinnere bringen, nach Stella Niagara, wo sie in einer Kommunität der Nonnenwerther Franziskanerinnen die Möglichkeit hatten, im Land anzukommen und nach einem möglichen Apostolatsfeld Ausschau zu halten. Denn die Franziskanerinnen bekamen immer wieder neue Anfragen, denen sie gar nicht allen nachkommen konnten. So hoffte man, dass die neu angekommenen Missionsschwestern auf diese Weise eine passende Missionsaufgabe finden würden.

 

Doch die Abreise der Pallottinerinnen von Hoboken verzögerte sich aufgrund eines Missverständnisses. Ein Telegramm war wohl fälschlicherweise so verstanden worden, dass die Pallottinerinnen warten sollten, bis sie abgeholt würden. Nach zwei Tagen vergeblichen Wartens fuhren sie dann einfach los. Im Nachhinein erfuhren sie, dass der Zug, mit dem sie eigentlich fahren wollten, verunglückte. Sr. Dominica Senn schrieb in ihrem Brief: "das ist sicher, daß die göttliche Vorsehung diesen Zwischenfall [mit dem missverstandenen Telegramm] zuließ, um unsere Reise zu verschieben."

 

So erreichten die Schwestern Stella Niagara also am 26. April – und das war der Festtag der Mutter vom Guten Rat. Bei den Franziskanerinnen verbrachten sie etwa 3½ Monate, eine Zeit des Ankommens und Heimisch-Werdens in dem Land ihres neuen Einsatzes.

 

 

Am gleichen Tag, diesem 26. April 1912, erreichte die Franziskanerinnen in den USA der Brief eines Jesuiten aus Britisch Honduras (heute Belize). Er bat darum, vier Schwestern in seine Mission zu entsenden. Auch dies war eine Bitte, der die Franziskanerinnen nicht entsprechen konnten, so dass sie die Anfrage an unsere Schwestern weitergaben.

 

Sr. Franziska Zabel, die zuvor für drei Jahre in Kamerun gewesen war und nun zur Oberin unserer Pionierinnen in den USA bestimmt war, berichtete die Angelegenheit sofort an unsere Generalleitung hier in Limburg. In einer kurzen Geschichte ihres Lebens heißt es dazu: sie "wurde durch die Beschreibung der engl. Kolonie sehr an Kamerun erinnert, und in ihrem Seeleneifer fühlte sie sich sehr zu diesem Missionsgebiete hingezogen. Daß man als Trinkwasser nur das in Zisternen gesammelte Regenwasser benutzen könne, das schreckte sie nicht. Vor Tropenhitze, Moskitos und Fieber war sie nicht bange. Sie kannte das von Afrika her. Und was tun Hitze und Kälte, wenn es gilt, unsterbliche Seelen zu retten? Hat nicht Gottes Sohn Größeres um sie gelitten? Deshalb bat sie die ehrw. Generaloberin, M. Caecilia, inständig, die Mission annehmen zu dürfen".

 

Am Pfingstmontag erreichte sie die Antwort von Sr. Caecilia Heep. Die Generalleitung stimmte zu, dass die Schwestern die Mission in Britisch Honduras annehmen. Kurze Zeit später kam der Jesuit, der um die Schwestern gebeten hatte, in die USA und traf dort die neuen Missionarinnen. Schnell war alles Weitere persönlich vereinbart und ein Vertrag geschrieben und nach Limburg geschickt.

Aufgrund dieser Vorgeschichte wollte Sr. Franziska, die selber im kommenden Jahr zu den Pionierinnen in Belize zählte, die erste Kommunität der Gemeinschaft in der neuen Mission nach der Mutter vom Guten Rat benennen. Doch dann erreichten die Pallottinerinnen die erste Station Benque Viejo am Josefstag, und der Bischof wünschte, dass der Konvent deshalb Josefskonvent genannt werde. Aber die zweite Filiale in Britisch Honduras, in Corozal wurde ein Konvent der Mutter vom Guten Rat.

 

 

All diese Erfahrungen hatten damit zu tun, dass unsere Schwestern wie auch Vinzenz Pallotti darin Zeichen sahen für die sich ihnen zuwendende Liebe und Vorsehung Gottes. Von Gott erlebten sie sich geführt. Er bereitete ihnen einen Ort, wo sie heimisch werden konnten, - nicht um sich einzunisten oder auszuruhen, sondern um eine Basis, einen Ort zu haben, von dem aus sie ausgehen und sich auf ihre Sendung einlassen konnten. Das Sich-Geborgen-Erleben, das Geführt- und Behütet-Werden von Gott und in Gott, machte es ihnen möglich, sich von ihm senden zu lassen und andere zum Glauben einzuladen.

 

Und dabei setzten sie Zeichen – mit den Erzählungen, die sie bewahrten und weitergaben, und hier in Belize auch, indem sie ihrem neuen Ort einen Namen gaben, der sie an diese ihre Geschichte mit Gott erinnerte.

 

Eine ähnliche Bedeutung bekam für die ersten Schwestern wohl auch der Georgstag, wie es in der Geschichte von Sr. Salesia anklingt.

Am 23. April 1895, dem Fest des heiligen Georg, trat die erste Gruppe aus Rom ihre Reise hier nach Limburg an, wo sie zwei Tage später eintraf.

Hier in Limburg erwartete sie Georg als Schutzpatron der Bischofsstadt und des Domes.

 

 

Als 1909 die ersten Schwestern nach England aufbrachen, führte sie die Reise per Zug nach Rotterdam und von dort mit dem Dampfer nach England. Doch in Köln war das Gepäck in den verkehrten Zug geladen worden und kam deshalb erst nach der Abfahrt des Dampfers, den sie nehmen wollten, in Rotterdam an. Daher verschoben sie ihre Überfahrt um einen Tag und traten so am 23. April, dem Fest des hl. Georg, die Seereise nach England an.

Und auch hier erwartete sie Georg als Patron von England an ihrem Ziel.

 

Siebzehn Jahre zuvor waren die ersten Schwestern von Rom aus nach Kamerun aufgebrochen. Die erste neue Mission, die sie nun von Limburg aus begannen, führte sie am Georgstag nach England, in das Land, das unter seinem Patronat stand. Sie kamen aus der Stadt Limburg, wo der Dom dem hl. Georg geweiht war, und fuhren in das ihm geweihte Land.

 

Drei Jahre später gab es noch einmal ein ähnliches "Spiel". Jener Dampfer, mit dem unsere ersten Schwestern an den Trümmern der Titanic vorbei aus Bremen nach New York kamen, kam am 23. April in New York an.

 

 

Hat das nicht wirklich etwas von einem „Spiel“? Ich stelle mir vor, dass Gott uns augenzwinkernd anlacht und einlädt: "Vertraut mir doch. Ich bin bei euch und ich sende euch. Und ich schaue, dass alles nach meinen Plänen läuft, auch wenn ich dafür schon einmal eure Pläne durcheinander bringen muss. Aber es wird gut, denn ich hab einen Platz für euch vorbereitet."

 

Für unsere ersten Schwestern war es auf jeden Fall ein Erleben, geführt zu sein, von Gott ausgesandt und auf dem Weg geleitet zu sein. Es war das Erleben, dass er die Wege für sie vorbereitete und ihren Zeitplan auch so verändern konnte, dass sie zu den Plänen passten, die seine Vorsehung für sie erdacht hatte.

 

 

Und wir heute?

In der Auseinandersetzung und Begegnung mit unserer Geschichte sind mir diese Erzählungen begegnet, die den Weg des Glaubens und Vertrauens unserer Schwestern bezeugen. Mir stellt sich daraus die Frage: Welche Erzählungen halte ich, halten wir fest, persönlich und miteinander, - welche Erfahrungen teilen wir, welche Namen und Begriffe wählen wir, um uns immer wieder an Gottes Wirken erinnern zu lassen?

 

Als die Gärtnerei den Auftrag bekam, den kleinen Brunnen, den Born vor dem Eingang von Haus Camaldoli mit der Marienfigur zu gestalten, die bereits vorher in unserem Garten gestanden hatte, da gab es keine weiteren Vorgaben. Der Gärtner gestaltete die Anlage aus eigenem Antrieb so, wie wir sie nun haben. Oder war es vielleicht eher ein Impuls des Heiligen Geistes, dem er folgte? Denn da ist diese Ähnlichkeit mit der Pforte des alten Hauses: auch da haben wir wie in einer Achse über dem Pforteneingang oben das Kreuz und darunter, wie in einer Nische geborgen, Maria. Hier vor dem neuen Eingang unserer Provinzverwaltung haben wir dazu den kleinen Springbrunnen vor der Marienfigur, über der das Kreuz aufragt. Dieser Born veranschaulicht in sehr schöner Weise den Namen Marienborn. - Und inzwischen ist am Eingang von Haus Camaldoli auch der Name angebracht: "Pallottinerinnen – Kloster Marienborn".

Denn auch wenn uns das alte Haus nicht mehr gehört, die Kommunität besteht weiter, die über Jahrzehnte hier bestanden hat: die Kommunität vom Kloster Marienborn.

 

Sr. Adelheid Scheloske SAC

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